Thursday, September 27, 2007

Die letzten Tage

Morgen ist der letzte Tag in Dhaka, heute Abend geh ich zu einem Abendessen mit den Freunden, die ich hier kennengelernt habe. Danach gehen wir zu ner Party im Australian Club, das ist doch tatsaechlich die dritte Party in sechs Wochen... Eben hab ich aber ner Party der anderen Art beigewohnt: ich war bei Iftar, dem traditionellen Fastenbrechen um 2 vor 6 zufaellig draussen und wurde direkt mal von 8 Maennern eingeladen. Wir sassen im Kreis und eine grosse Schuessel rum, haben (nat mit den Fingern!) irgendwas mit Reis gegessen und selbstgemachten Joghurt getrunken. Auch ein Erlebnis.

Heute morgen war ich das letzte Mal in der Bank, hatte noch 2 Termine und habe mich dann von allen verabschiedet. Ueberraschend hatte Mrs. Begum, ein Boardmember der Bank noch nach mir gefragt und hat lange mit mir ueber meine Zeit in Bangladesch, meine Eindruecke und meine Zukunft geredet. Sehr interessant waren ihre Erzaehlungen von frueher, sie hat zusammen mit Prof Yunus die Bank aufgebaut. Sie hat mich zu sich eingeladen, weil ihr die Mitarbeiter des International Department erzaehlt haben, das Lulu und ich wirklich aussergewoehnliche Praktikanten waren. Sie hat uns mit Lob ueberschuettet und alles Gute gewuenscht. Ich war etwas ueberrascht, ich finde wir haben uns nicht anders als die anderen Praktikanten verhalten, aber trotzdem hats mich natuerlich sehr gefreut. Ich habe ihr versprochen, dass wir in einigen Jahren wiederkommen werden um uns die Fortschritte anzusehen. Das haben wir auch wirklich vor. Alles in allem war der letzte Tag noch mal richtig gut, alle waren nett und fast schon traurig.

Wie gesagt, morgen ist der letzte Tag. Eigentlich soll ich am Samstag um 1 Uhr morgens fliegen, aber ich bin sicher das das nicht klappen wird. Erstens hat mir die Deutsche Botschaft in Dhaka eben eine E-Mail ueber zu erwartende Ausschreitungen in der ganzen Stadt, besonders aber an der New Airport Road, ab morgen Abend geschickt. Irgendwas mit Karikaturen die hier nicht soo gut angekommen sind. Ausserdem hat mir die Airline meines Vertrauens (Biman Bangladesh!) gesagt, dass ich "zu 95% eine Verspaetung zwischen 12 und 36 Stunden" haben werde. Sauber! Sogar die Bangladeschis lachen mich aus, weil ich mit Biman fliege. Ein Franzose hat mit angeboten in Dhaka fuer mich sammeln zu gehen, damit ich mir ein anstaendiges Ticket kaufen kann...

Am Samstag also hoffe ich nach Singapur zu fliegen, da bleibe ich ein paar Tage und zieh dann weiter nach Malaysia. Geplant sind ein paar Tage Kuala Lumpur, ein paar Wochen tauchen und dann Weiterreise nach Indonesien. Im November treffe ich Eugen in Hanoi, von da aus fahren wir quer durchs Land nach Kambodscha. Mitte Dezember gehts dann wohl wieder zurueck nach Hause. Werd in den naechsten Monaten hier weiter ein paar Updates schreiben, wenn es auch jetzt das letzte mal Neues aus Dhaka gab...

Monday, September 24, 2007

Ein Tag in Dhaka...

Irgendjemand hat mich letztens gefragt, wie genau so ein Tag in Dhaka eigentlich aussieht. Normalerweise fahre ich (Lulu ist letzte Woche nach BKK geflogen) um Viertel vor 10 mit einer Fahrradrikscha hier los, dann bin ich ggn 10 in der Bank. Da hab ich dann normalerweise 1 oder 2 Termine, die dauern manchmal eine Stunde, manchmal zwei. Die meiste Zeit bin ich dann im International Department, der Praktikantenabteilung, und versuche Grameen noch genauer zu verstehen. Heute zum Beispiel habe ich 2 Leute getroffen und danach mit jemanden aus dem ID die Zinsformel nachvollzogen. Die Formel bestimmt ganz genau den effektiven Zinssatz fuer die Kreditnehmer und ist echt mal kompliziert. Heute nachmittag hab ich mir frei genommen, es geht ja langsam hier dem Ende zu, daher will ich noch ein bisschen Sightseeing machen. Damit werd ich sicher laenger beschaeftigt sein, da eigentlich alles mindestens eine Stunde mit dem Taxi oder dem CNG (a.k.a. baby taxi, tuk tuk, …) weit weg ist. Dhaka ist eigentlich nicht soo gross, aber der Verkehr ist jeden Tag kurz vorm Totalkollaps. Einmal standen Lulu und ich fast 5 Stunden im Stau. Grade jetzt wird es noch schlimmer, da naechste Woche Eid Mubarak ist, deren Equivalent of Weihnachten und alle wollen einkaufen gehen. Wenn sich dann 12 Millionen Menschen aufmachen kanns schon mal voll werden.
Dazu kommt, dass ich geograpisch echt mal schlecht liege. Hier im Nordwesten is nix, es gibt eigentlich nichts zu sehen oder zu konsumieren ausser ein paar Strassenstaenden und ueberraschend vielen Brillenlaeden. Dafuer ist e saber sehr nah an der Bank, morgens brauch ich wie gesagt nur eine Viertelstunde. Der Nachteil an der Location ist die ewige Fahrerei zu den Teilen der Stadt in denen meine Freunde wohnen bzw woe s Restaurants gibt, bei denen kein Durchfall auf der Karte steht. Allerdings hab ich das perfekte Timing gefunden, damit kanns auch richtig schnell gehen. Das Geheimnis ist um kurz vor 6 losfahren, denn um 6 geht hier die groesset Fressorgie ab, auch Fastenbrechen genannt. Dann sind die Strassen innerhalb von Sekunden leer und ich komme innerhalb einer halben Stunde ans andere Ende der Stadt. Nachts zurueckfahren ist eh kein Problem, Dhaka is nicht sooo der Hotspot des Nachtlebens, daher dauerts nie laenger als 12 Minuten. Wie gesagt, die Stadt ist nicht gross, sondern nur voll. Von den 15 Millionen Einwohnern leben allein 3 in meinem Stadtteil (bin mittlerweile sicher das ich hier der einzige Auslaender bin), das ist ganz Berlin. Uebrigens, laut Wikipedia sind Berlin und Dhaka exakt gleich gross, nur das hier halt zw 12 und 15 Millionen wohnen und in Berlin 3. Kann also mal voll warden…
Abends treff ich dann moistens besagte Freunde (teils im Ausland aufgewachsene Bengalis, ein Franzose der hier fuer eine Kaufhauskette Klamotten machen laesst, eine Amerikanerin die fuer eine NGO arbeitet, eine deutsche Meeresbiologin), wir gehen essen oder haengen bei einem in der Wohnung ab. Da gibts dann auch moistens nen Drink, also bin ich nicht so ganz wie befuerchtet auf dem Trockenen hier.
Noch ein Highlight in Dhaka sind natuerlich die Preise. Eine Rikschafahrt kostet ca. 10 Taka, das sind etwa 12 Cent. Eine Taxifahrt kann eigentlich nie mehr als 2 Euro kosten, auch wenns manchmal 1,5 Stunden dauert. Leider gewoehnt man sich sehr schnell an diese Preise…

Tuesday, September 18, 2007

Ramadan

Seit Freitag ist hier also Ramadan. Das heisst das bei Tageslicht weder gegessen noch getrunken wird, alle Gedanken müssen "rein" sein und es wird noch viel mehr gebetet als sonst. Ich habe zwei Tage mitgefastet, allerdings nur aufs Essen verzichtet, denn ich halte es für relativ bescheuert bei bis zu 37 Grad den ganzen Tag lang nichts zu trinken. Nach 2 Tagen wars aber auch gut...
Ziel des Spiels ist einerseits spirituelle Annäherung an Gott, die Ablenkung vom Weltlichen, aber auch das Nachvollziehen des Lebens der Armen. Ramadan verändert das Leben in der Stadt insofern, dass nur noch bis 3.30 gearbeitet wird und sich dadurch auch die Rush Hour um 2 Stunden nach vorn verschiebt. Das ist für uns ganz angenehm, denn so können wir ganz entspannt zum Abendessen fahren während alle Bangladeshis vor einem prall gefüllten Tisch zu Hause sitzen und auf den Sonnenuntergang warten. Ein Bangladeshi Freund hat mir letztens erzählt, dass die zweite Ramadan Woche krass wird, weil dann die ersten Leute verrückt werden. Lulu wird das leider (?) nicht mehr erleben, da sie am Freitag nach Bangkok fliegt, aber ich werde berichten.

Die Religion erscheint mir mehr und mehr als Problem denn als Segen in Bangladesch. Ich bin zwar kein Islamexperte und kann auch die Gesellschaft hier nur beschränkt einschätzen, aber wenn ein sowieso unterernährtes Volk einen Monat lang tagsüber nichts isst, und noch viel schlimmer, nichts trinkt, kann das nur üble Folgen haben. Die kleinen Kinder sind zwar ausgeschlossen, aber ab 10 Jahren fasten sie mit. Auch das kann in meinen Augen nur negative gesundheitliche Folgen haben. In den Gesprächen mit den anderen Interns fallen uns immer wieder Probleme auf, die sich durch Kultur, Religion und Bräuche ergeben, die aber relativ leicht zu beheben wären. Thema Ernährung: Normal ist 3x am Tag Reis. Mittags warm, Abends und Morgens kalt. Manchmal gibt es dann noch Gemüse dazu, allerdings sehr lange gekocht. Natürlich ist in den meisten Fällen finanziell nicht mehr (z.B. Fleisch) drin, aber es gibt lokale Gemüsesorten die günstig verfügbar und sehr nährreich sind. Die sind aber nicht sehr populär, da Wissen über Nährwerte etc sehr wenig verbreitet ist. Wenn sich aber dann jemand, grade kleine Kinder, ausschliesslich durch Reis ernähren, kann ja keine normale Entwicklung folgen.

Ein anderes, schockierendes Phänomen in Dhaka sind die Bettler. Auch darüber habe ich mich lange mit einigen Bangladeschis unterhalten. Es gibt mehr oder weniger organisierte Strukturen unter den Bettlern. In manchen Fällen ist es offensichtlich, z.B. hab ich schon einige Male mitbekommen, dass Mütter ihre Kinder in meine Richtung schubsen. Auch ähneln sich die Bettler sehr stark. Oft ist es ein kleines Kind, zw vier und sechs Jahren alt, mit einem Baby auf dem Arm. Auch wenn es nicht direkt sichtbar ist, sind wohl irgendwelche Chefs in der Nähe. Das müssen nicht immer die Eltern sein, in einigen Fällen werden wohl Kinder aus Dörfern entführt und dann in Dhaka zum Betteln eingesetzt.
Auch weit verbreitet sind Verstümmelungen. Es gibt Unmengen an Leuten aus allen Altersklassen, denen die Hand, der Unterarm oder ein Bein fehlt, bzw sich eine Extremität irgendwie schief entwickelt hat. Auch das kommt wohl nicht von Ungefähr. Angeblich werden manchen Neugeborenen für mehrere Monate ein Arm auf den Rücken gebunden, um diese Behinderung hinzubekommen, anderen werden Körperteile abgehackt.

Wenn ich in Gesprächen mit Locals oder aus den Medien hier so etwas erfahren, bleibt mir immer wieder mal die Luft weg. Der Gedanke, dass eine Mutter oder ein Vater seinem eigenen Kind eine Behinderung zufügt, damit es beim Betteln mehr rausholen kann, ist einfach zu krass und nicht in Worte zu fassen.

Insofern ist das Leben in Dhaka jeden Tag wieder eine Herausforderung, aber mittlerweile, nach einer Eingewöhnungsphase, läuft es ganz gut. Klar, irgendwo ist es immer ein Kampf, aber das war ja relativ absehbar. Und es gibt auch immer mehr Momente, in denen es einfach Spass macht, hier zu sein, das Chaos mitzuerleben und ein Teil davon zu werden.

Saturday, September 15, 2007

Bilder sagen mehr als 1000 Worte

Sweatshop


Hier kommen also unsere Klamotten her...


Krankenhaus Bangla-Style


Schule


Slum 


Unsere Straße


Grameen Kunden


Lulu und Nwanneka im traditionellen Outfit

Saturday, September 8, 2007

Neuigkeiten!

Lang ists her, war viel los hier! Letzten Sonntag sind wir zu dritt (Lulu und ich mit Nwanneka, einer nigerianischen Princeton-Studentin) aufs Land aufgebrochen. 4 Tage Leben wie die Leute vor Ort in einer Filiale der Bank. Strom und Wasser waren nur selten verfuegbar, die facilities waren echt dürftig. Aber das war nach der ersten Nacht unwichtig, viel interessanter waren die Gespräche mit den Kreditnehmern der Grameen Bank. Wir haben mehrere der so genannten Centre Meetings in diversen Dörfern besucht, die Treffen bei denen die Frauen ihre Zinsen zahlen und um Kredite beantragen. Da hatten wir die Gelegenheit viele Fragen über das Leben zu stellen, wie es sich in den letzten Jahren besonders durch Grameen verändert hat, wie die Situation in der Familie aussieht, wie der wirtschaftliche Fortschritt verläuft usw.
Danach sind wir immer noch in den Dörfern rumgelaufen und haben mit einzelnen Leuten geredet und auch viele persönliche Details mit den Ladies beredet. Unser Dolmetscher hatte eine echt gute Art auf die Frauen einzugehen und auch kritische und schwierige Fragen so zu stellen, dass sich niemand angegriffen fühlte.
Generell kann man sagen, dass wir mit einer wahnsinnigen Gastfreundlichkeit und mit großen Interesse begrüßt wurden. Die Frauen, deren Häuser oder Hütten wir besucht haben, empfanden das als große Ehre; drumherum war meist eine große Menschentraube, wie eigentlich immer wenn wir irgendwo aufgetaucht sind. Es ist ein spannendes Gefühl, der erste Ausländer zu sein, den die Leute sehen.
Die Reise hat uns sehr gut getan, wir hatten viel Spass, haben uns ein bisschen von Dhaka erholt und viel über Grameen gelernt. Das System der Mikrokredite begeistert mich immer mehr, grade wenn man sieht, dass einfache Frauen, die vor 10 Jahren nichts zu essen hatten, heute ihre Kinder in die Uni schicken können. Grameen bietet neben den Kleinkrediten noch so viel mehr: health care, education loans, housing loans, ein pension scheme in das jeder einzahlen muss und und und.
Mit dem Dolmetscher hatte ich ausserdem die Gelegenheit ausführlich über das Land, die Vergangenheit und die Zukunft zu reden. Prof. Yunus, der Gründer der Bank will bis 2020 Armut aus Bangladesch verbannen, darüber haben wir viel diskutiert. Auch die Geschichte, die willkürliche Aufteilung des Subkontinents durch die Engländer, die Trennung von Pakistan und der Bürgerkrieg sind wirklich spannend; ich hatte vorher kaum was drüber gewusst.

Wir sind Donnerstag wieder hier angekommen, also grade rechtzeitig fürs Wochenende vor Ort, das von Freitag bis Samstag geht. Mittlerweile hat sich eine Gruppe aus Interns und Bengalis gebildet, sehr interessant. Besonders die Bengalen, die wir kennengelernt haben, sind wirklich spannend. Alle haben im Ausland studiert, in den USA und in Europa, und sind jetzt wieder hier um zu arbeiten. Zwei sind Kinder von UN Botschaftern, also viel rumgekommen, der Vater von einem anderen baut grade eine neue Partei auf um bei den Neuwahlen im Dezember 08 die Caretaker Regierung abzulösen. Eine neue Partei ist auch nötig, seit ein paar Tagen sind die Chefinnen der beiden Parteien im Knast.
Krass ist übrigens auch der Unterschied, den wir im Leben der Bevölkerung in kurzer Zeit erleben. Direkt von unserem Fieldtrip sind wir zu einer Party bei einem Local gegangen. Sehr stylische Wohnung, für den Abend gabs ein eigenes Cocktailmenü. Morgen sind wir bei einem anderen zum Abendessen eingeladen. Auch das wird sicherlich wieder sehr anders als das, dass wir auf dem Land erleben. Die Unterschiede sind eigentlich ein bisschen bedrückend, aber beide Welten sind faszinierend.

Morgen poste ich dann auch mal wieder ein paar Fotos.

Saturday, September 1, 2007

Zurück in Dhaka

Dhaka
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Dschungel



Gestern Abend sind wir wieder in Dhaka angekommen. Wir sind mit den anderen Grameen interns für 2 Tage nach Srimongol im Norden des Landes gefahren und haben die Natur genossen. Da gabs ne Menge Teegärten und verschiedene Plantagen, wir waren im Dschungel unterwegs und einen Wasserfall besucht. Leider konnte Lulu nicht alle Trips mitmachen, sie war nicht so fit. Die Zeit in Srimongol war sehr entspannt, die anderen interns sind echt sehr nett und es war für alle echt angenehm mal wieder frische Luft zu atmen. Dhaka ist angeblich die am stärksten luftverschmutzte Stadt der Welt, das ist echt anstregend.
Im Lonely Planet steht das ein Westler in Bangladesch automatisch celebrity status hat, und das haben wir deutlich zu spüren bekommen. In Dhaka starren die Leute uns schon oft an, aber in Srimongol, Kleinstadt mit 200.000 Einwohnern, war das noch mal was ganz anderes. Offensichtlich haben die Leute da selten Kontakt zu Touristen, wir hatten eigentlich immer eine Menschentraube von mindestens 10 Leuten um uns herum, sie liefen uns hinterher und wollten mit uns reden, uns anfassen und gucken was wir als nächstes machen. Ich hab mich recht schnell daran gewöhnt besonders für Bettler der Interessanteste zu sein, vielleicht weil ich der größte von unserer Gruppe war. Anstrengend dabei sind weniger die alten Frauen und Männer, sondern die Kinder. Einigen von denen hat ein Unterarm gefehlt, eine Mitreisende hat mir erzählt das Amnesty International beklagt das vielen der Kinder der Arm von den Eltern abgehackt wird, damit sie beim Betteln mehr erzielen.